Haushaltsrede von Annette Höhn-Thye

Lieber Herr Bürgermeister, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, Gemeinderatskolleginnen und -Kollegen,

auch für das kommende Haushaltsjahr müssen wir uns auf kommunaler Ebene besonderen Herausforderungen stellen. Trotz nachhaltigem Einbruch der Gewerbesteuer müssen notwendige Investitionen geschultert und dennoch ein genehmigungsfähiger Haushalt sichergestellt werden. Dies ist unsere gemeinsame Verantwortung. Rufen wir uns nochmals die Grafik vor Augen, in der Bürgermeister Dirk Oestringer die globalen Rahmenbedingungen in seiner Präsentation zum Haushalt 2023 so einprägsam dargestellt hat:

 

  • Ukrainekrieg
  • Transformation von Schlüsselindustrien
  • Klimawandel
  • Fachkräftemangel
  • Pandemie

Die Auswirkungen davon treffen auch die Kommunen und erschweren unseren Handlungsspielraum.

Meine Vorredner haben schon viel Richtiges zum vorliegenden Zahlenwerk gesagt. Alle aus einem sehr persönlichen Blickwinkel. Sehen Sie es mir daher nach, dass ich mich auf die 3 großen Kostenpunkte beschränke:

 

  • Investitionen in Gebäude
  • Bewirtschaftungskosten städtischer Gebäude und
  • Personalkosten

 

Mit letztem Punkt möchte ich beginnen. Die Personalkosten sind in den letzten 10 Jahren von 11 Mio. € auf 19 Mio. € gestiegen und machen somit 27% des Ergebnishaushalts aus. Dies ist meiner Meinung nach nicht nur der Besoldungsreform geschuldet, sondern auch andere Reformen und vorher genannte aktuelle Krisen bringen Mehraufwand und Mehraufgaben für die Mitarbeiter. Schnelles Internet und Digitalisierung der Verwaltung können Kosten und Arbeitszeit sparen und Abläufe für die Bürger verbessern. Durch freiwerdende Kapazitäten können bei Stellenvakanzen dann z.T. auch interne Lösungen gefunden werden. Die Verwaltung muss als Arbeitsplatz attraktiv sein um qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zu halten und neue zu gewinnen. Sie sollen für die Belange von Firmen und Bürgern hilfsbereite und kompetente Ansprechpartner sein, denn diese sind unsere „Kunden“! Sie bringen der Stadt die Einnahmen, die sie braucht, um weiterhin einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.

Die Bewirtschaftungskosten der ca. 90 städtischen Gebäude ist in den vergangenen 20 Jahren von 1,1 Mio. € auf 5,2 Mio. € gestiegen. Hier wurden bereits in den vergangenen Jahren die richtigen Weichen gestellt. Wir müssen in den Bestand und in effiziente Energiekonzepte investieren – nicht nur um künftig Energiekosten zu senken, sondern auch um Co2 einzusparen!

Das Amt für Liegenschaften sorgt jetzt zielgerichtet für die Sanierung und Werterhaltung der Städtischen Gebäude. Die Investitionen von heute werden sich morgen auszahlen!

Das für 2023 geplante ordentlichen Ergebnis in Höhe von minus 3,5 Mio. € kann mit Ergebnisrücklagen ausgeglichen werden. Gleichzeitig werden Investitionen in Höhe von 11,2 Mio. € notwendig für den konsequenten Weiterausbau der Photovoltaikanlagen, Fertigstellung der Realschule, Sanierung und Instandhaltung öffentlicher Gebäude, Ausbau des Hochwasserschutzes und Barrierefreiheit an Bushaltestellen, Beginn der Umsetzung des neuen Friedhofkonzeptes, Umbau und Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses und einer neuen Mensa um nur die wichtigsten zu nennen. Diese Investitionen sind wichtig und richtig.

Um zukunftsfähig zu sein, müssen Mehreinnahmen generiert werden, d.h. Gerlingen muss wachsen – nicht in größeren Dimensionen in der Fläche, sondern durch gezielte Nachverdichtung im Inneren und Arrondierung an den Rändern, dort wo schon eine Erschließung vorhanden ist. Es gilt Flächen zu schaffen, um auch Kindern, die hier aufwachsen sind und Gerlinger Gewerbetreibenden gleichermaßen eine Bleibeperspektive zu schaffen. Es muss die Möglichkeit geben, dass bestehende Betriebe expandieren und sich auch neue ansiedeln können. Deshalb ist es richtig, dass wir zeitnah den Flächennutzungsplan überarbeiten und ein neues Sanierungsgebiet Innenstadt ausgewiesen haben! Im Bebauungsplan Bruhweg II haben wir Themen der Nachhaltigkeit und Sozialquoten verankert bei gleichzeitiger Nachverdichtung.

 

Die Investitionen und Schuldenaufnahme der letzten 5 Jahren flossen zum großen Teil in Projekte für Bildung und Familien. Das ist auch weiter notwendig und sinnvoll – aber künftig mit anderen Standards! Dabei meine ich nicht nur den Betrieb von Gebäuden, sondern man muss auf neue Standards schon beim Bau von Gebäuden setzen. Das Bauwesen ist ein wesentlicher Treiber des Klimawandels! Der Co2 Ausstoß bei der Erstellung von Gebäuden ist 5 bis 8 mal so groß wie das Betreiben der Gebäude und macht insgesamt über 50% unserer Emissionen aus!

Wir befinden uns in einer Zeitenwende im Bauen. Europa spricht von einem Neuen Europäischen Bauhaus! Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Baumaterialien und Gebäudetyp E rücken in den Fokus. Erhalt von Bestandsgebäuden vor Abbruch und Neubau wird favorisiert! Wir sollten großzügig Aufstockungen und Erweiterungen zulassen! An dieser Stelle ist auch die Politik gefragt. Der Präsident der Architektenkammer sagt „kluges Bauen kann man nicht mit Vorschriften erzwingen“ und fordert, sich von „überbordenden Vorschriften“ zu verabschieden.

All dies vor Augen, müssen wir für die neuen Bauaufgaben wie Erweiterung Feuerwehrgerätehaus und Mensa, nach vorbildlichen, kostengünstigen und nachhaltigen Lösungen suchen!

Ein besonders gelungenes Gerlinger Beispiel nachhaltigen Bauens möchte ich zum Schluss noch erwähnen. Der Neue Treffpunkt für Jugendliche im öffentlichen Raum wurde in einem sehr transparenten Prozess mit Bürgerbeteiligung und großem Engagement des Jugendgemeinderats und Gerlinger Jugendlichen in nachhaltiger Bauweise mit recyceltem Material umgesetzt. Die Kosten dafür waren nur 50 % der zunächst angesetzten Baukosten in konventioneller Bauweise! Zum großen Erfolg dieses Projektes hat auch die Idee der Verwaltung beigetragen, das Vorhaben als Projekt in das Programm der Kulturregion Stuttgart einzubeziehen.

Reduce – Recycle – Reuse – sonst zahlt die nächste Generation die Kosten! Auch wenn es schwerfällt, müssen wir hier die neuen Realitäten sehen.

 

Die Corona- und Ukraine Krisen haben neben der täglichen Verwaltungsarbeit viele zusätzlich Aufgaben gebracht und das Team um Bürgermeister Oestringer hat sie in vorbildlicher Weise angenommen und um gute Lösungen gerungen. Auch die vielen Ehrenamtlichen aus der Gerlinger Bürgerschaft, die Lehrer an den Schulen und die Fachkräfte in den Kindergärten haben zur Bewältigung der Aufgaben entscheidend beigetragen.

 

Dafür möchte ich mich, auch im Namen meines Kollegen Peter Zydel, stellvertretend bei Ihnen, Herr Bürgermeister bedanken.

 

Unser großer Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt, die sich täglich den Herausforderungen engagiert und motiviert stellen.

 

Auch unserem Stadtkämmerer Herrn Britsch und seinen Mitarbeitern, möchten wir für die Erstellung dieses komplexen Zahlenwerks danken. Die FDP wird dem Haushaltsplanentwurf so zustimmen.

 

Mein besonderer Dank gilt euch, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Gemeinderat, für die überparteiliche konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit und freue mich auf die vor uns stehenden neuen Aufgaben.

 

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

 

ANNETTE HÖHN-THYE

 

Gerlingen, 30. Januar 2023

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